Zu tief drin

Zu spät.

Nicht im Sinne von „man hat mich erwischt“. Das war nie das Problem. Es ging nie darum, dass jemand an meine Tür geklopft hat, um mich zur Rechenschaft zu ziehen. Es war etwas anderes. Etwas, das schleichend kam, ohne dass ich es gemerkt habe.

Irgendwann war ich nicht mehr nur in dem Spiel. Ich war das Spiel. Die Karten waren längst verteilt, und egal, was ich tat – ich musste spielen.

Denn das ist die Sache mit Kontrolle: Je mehr du sie hast, desto schwerer ist es, sie loszulassen.

Es fing harmlos an. Ein Test hier, ein kleiner Hack da. Dinge, die sich wie Rätsel anfühlten, die ich lösen wollte – musste. Dann wurden die Rätsel zu Herausforderungen. Herausforderungen zu Gewohnheiten. Und Gewohnheiten? Die wurden irgendwann zur Realität.

Hacken war nie nur ein Talent. Es war eine Art zu denken, eine Art zu leben. Ich konnte nicht mehr durch eine Stadt gehen, ohne zu sehen, wo die Kameras hängen. Ich konnte keine Website besuchen, ohne sofort zu analysieren, welche Schwachstellen sie haben könnte. Und Menschen? Menschen waren nicht nur Menschen. Sie waren Muster, Verhaltensweisen, Lücken in ihren eigenen Schutzmechanismen.

Ich sah alles. Und irgendwann konnte ich nicht mehr nicht sehen.

Und dann war da sie.

Miss Standon.

Sie war die Einzige, die mich jemals wirklich durchschaut hat. Nicht nur im Sinne von „Tara ist klug“ oder „Tara hat Potenzial“. Das hatten viele gesagt. Aber sie? Sie hat mich auf einer Ebene verstanden, die sonst niemand erreicht hat.

Vielleicht, weil sie wusste, wie es ist.

Ich weiß nicht, wann genau ich es gemerkt habe. Vielleicht war es in einer dieser Stunden, in denen sie nicht nur unterrichtet hat, sondern gelehrt. In denen sie Dinge sagte, die keine andere Lehrerin je sagen würde. In denen sie mich ansah, als würde sie warten, dass ich verstehe, was sie mir eigentlich sagen will.

Ich dachte lange, dass sie mich einfach nur mochte. Dass sie mich für klug hielt, für „anders“ als die anderen. Aber jetzt frage ich mich: Hat sie mich vielleicht erkannt?

Nicht als Schülerin. Sondern als das, was ich wirklich war.

Vielleicht wusste sie es von Anfang an. Vielleicht hat sie gewartet.

Und vielleicht war sie die Einzige, die verstehen konnte, warum ich nicht mehr aussteigen konnte.

Denn wenn man einmal spielt, gibt es kein Zurück.

– Tara

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