Frau Doktor Supertherapeutin. Ich weiß nicht, was ich von ihr halten soll.
Manchmal frage ich mich, ob sie wirklich glaubt, dass dieses Schreiben mir hilft, oder ob das hier nur ein weiteres Experiment in ihrem endlosen Katalog an Methoden ist. Vielleicht ist sie auch einfach nur neugierig, ob ich irgendwann aufhöre, mich dagegen zu sträuben.
Eines muss ich ihr lassen: Sie hat nie versucht, mich zu analysieren, während ich schreibe. Kein Kommentar dazu, kein „Lass uns mal über deinen letzten Eintrag reden“. Sie scheint nicht mal Interesse daran zu haben, das zu lesen, was ich hier zusammenschreibe. „Das überlasse ich ganz Ihnen, Tara“, hat sie gesagt, als ich sie darauf angesprochen habe.
Ein Teil von mir will das als Gleichgültigkeit abstempeln. Ein anderer Teil – der, den ich nicht mag – fragt sich, ob sie es absichtlich tut. Weil sie weiß, dass ich das hier für mich machen muss, nicht für sie.
Na schön. Dann mache ich es eben weiter für mich.
Also, wenn ich hier schon Dinge erkläre, dann lasst uns über das reden, was mich eigentlich definiert. Oder definiert hat.
Hacken.
Nicht dieses alberne Film-Hacking, bei dem man „Zugriff verweigert“ zehnmal pro Sekunde liest, bevor der Protagonist triumphierend „Ich bin drin!“ ruft. Nein. Das echte Ding.
Es gibt verschiedene Arten von Hackern. Black Hats, White Hats, Grey Hats – und dann gibt es noch Red Hats, aber die sind eine andere Geschichte.
Black Hat Hacker – die Bösen. Die, die Systeme knacken, um zu zerstören, zu stehlen oder Chaos zu verursachen. Die, die alles für den eigenen Vorteil tun, ohne Rücksicht auf Verluste.
White Hat Hacker – die Guten. Die, die Sicherheitslücken finden, um sie zu schließen. Die mit Firmen zusammenarbeiten, um sie vor den Black Hats zu schützen. Die legalen Hacker.
Grey Hat Hacker – irgendwo dazwischen. Sie tun, was Black Hats tun, aber mit den Absichten der White Hats. Sie brechen Regeln, aber nicht, um Schaden anzurichten – sondern um zu zeigen, dass sie gebrochen werden können. Und manchmal, um Gerechtigkeit herzustellen, wenn niemand sonst es tut.
Red Hat Hacker – die Anti-Black-Hats. Sie verfolgen Black Hats, aber nicht mit legalen Mitteln. Sie zerstören die Systeme derjenigen, die sie als Bedrohung sehen. Sie spielen sich als Cyber-Rächer auf und sind dabei oft skrupelloser als ihre Feinde.
Und wo war ich?
Ich hätte immer gesagt: White Hat.
Ich habe nie gestohlen. Nie Geld abgegriffen, nie Daten verkauft. Ich habe nie ein Unternehmen zerstört, nie ein System lahmgelegt, das nicht verdient hatte, ausgesetzt zu werden. Ich habe immer geglaubt, dass ich auf der richtigen Seite stehe.
Aber jetzt, wo ich das hier schreibe … war ich wirklich White Hat?
Habe ich mich nie über Grenzen hinweggesetzt? Habe ich nie Dinge getan, nur weil ich es konnte?
Was war mit dem Tag, an dem ich die Schule übernommen habe? War das White Hat? War das irgendeine Form von „Schutz“ oder „Gerechtigkeit“? Nein. Es war Spaß. Kontrolle. Ein Test, wie weit ich gehen kann.
Und was ist mit den anderen Dingen, die ich getan habe? Dinge, die vielleicht mehr waren als nur ein Spiel? Dinge, bei denen ich damals überzeugt war, dass sie richtig sind?
Vielleicht war ich nicht so weiß, wie ich dachte. Vielleicht war mein Hut nicht ganz so sauber.
Vielleicht war ich doch nur Grey.
Oder schlimmer.
– Tara