Die echte Gefahr

Ich habe gestern geschrieben, dass meine Schwachstelle nicht ist, dass ich mich an Menschen binde – sondern dass ich mir einrede, dass ich es nicht tue.

Und jetzt stelle ich mir die nächste Frage: Was genau macht das so gefährlich?

Es ist nicht das Offensichtliche. Es ist nicht die Angst, verletzt zu werden, oder die Sorge, dass jemand mich verraten könnte. Das sind Dinge, mit denen ich umgehen kann. Dinge, die ich einkalkulieren kann.

Die wahre Gefahr ist subtiler.

Es ist die Tatsache, dass Menschen unberechenbar sind.

Systeme folgen Mustern. Algorithmen tun, was sie sollen. Code ist logisch. Selbst Fehler haben eine Struktur. Aber Menschen? Menschen brechen aus. Sie handeln gegen ihre eigenen Interessen. Sie treffen Entscheidungen, die keinen Sinn ergeben.

Und ich kann das nicht immer vorhersagen.

Das ist die echte Gefahr.

Ich erinnere mich an eine Situation, in der mir das zum ersten Mal wirklich klar wurde.

Ich hatte damals etwas getan, was ich nicht hätte tun sollen. Nicht aus moralischen Gründen – nein, sondern weil es persönlich war. Und das ist eine Regel, die ich mir selbst aufgestellt hatte: Niemals persönlich werden.

Aber es war passiert.

Jemand hatte sich zu weit aus dem Fenster gelehnt. Ein Lehrer, ein arroganter Mistkerl, der glaubte, sich alles erlauben zu können, weil er wusste, dass ihn niemand hinterfragt. Ich hatte Beweise gefunden. Genug, um ihn zum Rücktritt zu zwingen.

Und dann kam Becs.

Sie wusste nichts von dem, was ich tat. Sie hatte keine Ahnung, wer ich wirklich war, wie tief ich drinsteckte. Aber sie hatte gespürt, dass ich in etwas verwickelt war.

Und sie stellte Fragen.

Keine direkten, keine offensichtlichen. Aber genug, um mich nervös zu machen.

Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Ich war vorbereitet auf Firewalls, auf Logs, auf digitale Spuren. Aber ich war nicht vorbereitet auf sie. Auf ihr Gespür. Auf die Art, wie sie mich ansah, wenn sie wusste, dass ich ihr nicht die ganze Wahrheit sagte.

Ich hatte geglaubt, dass ich unantastbar bin. Aber dann stand sie vor mir, eine einzige Frage auf den Lippen, und plötzlich fühlte ich mich, als wäre ich es nicht mehr.

Das war die echte Gefahr.

Nicht, dass sie mich verraten hätte. Nicht, dass sie etwas herausgefunden hätte, was sie nicht sollte.

Sondern, dass sie mich lesen konnte.

Und wenn sie es konnte – wer noch?

Ich habe mein Leben damit verbracht, Systeme zu analysieren. Aber vielleicht war ich zu lange in meiner eigenen Welt, um zu bemerken, dass ich selbst analysiert wurde.

Ich dachte immer, ich hätte alles unter Kontrolle.

Aber was, wenn das die größte Lüge war, die ich mir je erzählt habe?

– Tara

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