Die Unantastbare

Es gab diesen einen Moment.

Den Moment, in dem sich alle Fäden verbunden haben, in dem aus losen Vermutungen eine unumstößliche Wahrheit wurde. Der Moment, in dem ich nicht mehr daran zweifeln konnte, wer Lucy Standon wirklich war.

Lucy Standon war eine Lüge. Eine perfekte Hülle. Ein Name, eine Existenz, die sich jemand erschaffen hatte, um zu verschwinden. Um ein neues Leben zu beginnen.

Aber davor?

Davor war sie Vortex.

Vortex – die Hackerin, die nicht nur Systeme, sondern ganze Imperien gebrochen hatte. Die Person, die bewiesen hatte, dass es keine unüberwindbaren Mauern gab, keine unantastbaren Konzerne, keine Systeme, die nicht zum Einsturz gebracht werden konnten.

Und genau das hatte sie getan.

Nicht einmal, sondern zweimal. Zwei der größten globalen Player – Firmen, die jeder für unantastbar hielt. Unternehmen mit Milliardenbudgets, mit Regierungen in der Tasche, mit mehr Macht, als sie je hätten haben dürfen.

Sie hatten geglaubt, sie seien sicher. Unbesiegbar.

Und dann kam Vortex.

Ich erinnere mich noch genau daran, wie es damals in den Nachrichten hieß, dass es ein wirtschaftliches Erdbeben gegeben hätte. Dass Aktienkurse ins Bodenlose fielen, dass Serverfarmen abgeschaltet wurden, dass Vorstände panisch Sondersitzungen einberiefen, um herauszufinden, wer das getan hatte.

Sie hatten es nicht verhindern können.

Denn Vortex hatte nicht einfach nur gehackt. Sie hatte zerstört – aber nicht chaotisch, nicht wahllos, nicht wie ein Cyberterrorist, der einfach nur Schaden anrichten will.

Es war minütlich genau geplant gewesen. Jede Leaking-Kampagne, jede Veröffentlichung, jedes platzierte Datenleck hatte ein anderes nach sich gezogen. Jeder Schritt war Teil eines größeren Plans. Und als die Unternehmen endlich begriffen, was geschah, war es zu spät.

Ich hatte damals all das verfolgt. Ich war fasziniert gewesen. Ich hatte nie geglaubt, dass so etwas möglich wäre – nicht auf dieser Ebene, nicht mit dieser Präzision.

Und jetzt sitze ich hier. Schreibe diese Worte. Und begreife, dass sie es gewesen war.

Meine Lehrerin. Meine Mentorin. Mein Vorbild.

Ich dachte, als ich das herausfand, würde ich Wut empfinden. Oder Angst. Oder das Gefühl, dass ich betrogen worden war.

Aber nichts davon passiert.

Stattdessen merke ich, dass ich noch immer Bewunderung empfinde.

Und das ist vielleicht das Beunruhigendste an allem.

Denn egal, wie viel Zeit vergangen ist, egal, wie tief ich mittlerweile selbst in diesem Spiel stecke – ein Teil von mir sieht immer noch zu ihr auf.

Ein Teil von mir will verstehen, wie sie es geschafft hat.

Und ein anderer Teil fragt sich, ob ich es jemals auf ihr Level schaffen würde.

– Tara

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